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Sprachlos | Das Ende vom Ende


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Sprachlos

Ich muss zugeben, dass mir das nicht allzu oft passiert, aber die Reaktionen auf meinen Beitrag Das Ende vom Ende in den letzten beiden Tagen machten mich wirklich sprachlos. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass man mit einem Artikel in einem bisher nun wirklich eher “exklusiven” (man könnte auch sagen “völlig unbekannten”) Blog in so kurzer Zeit so eine beeindruckende Menge an Leuten erreichen kann. Und das bei einem Artikel zu einem Thema, von dem man annehmen könnte, es würde vielleicht ein paar Kurvenromantiker betreffen, doch für die breitere Masse an Fußballinteressierten eher von geringerem Interesse sein. Doch weit gefehlt – sowohl mein Beitrag, als auch viele weitere Äußerungen und Initiativen zur aktuellen Situation der Münchner Südkurve werden in Fußballforen und Social Media Platforms intensiv diskutiert – und ich bin völlig begeistert wie ausgewogen und respektvoll diese Diskussionen derzeit geführt werden.

Es gibt ein paar aus meiner Sicht bemerkenswerte Beiträge zu der Thematik aus den letzten Tagen, die ich hier kurz zusammenfassen möchte:

Für mich eine absolute “Pflichtlektüre” zum Thema: Michael Wollny (@Michael_Wollny - Redakteur bei Eurosport) setzt sich in einem Blogbeitrag mit der Fanpolitik des FC Bayern auseinander: FC Bayern: Der Tod kommt leise. Viel Wahrheit in einem Text, der traurig stimmt. Ich spüre einen starken Drang mich der Argumentation hinzugeben und zu sagen: “Stimmt – unsere Fanszene ist auch nicht “schlimmer” als die jedes anderen Bundesligavereins (im Gegenteil, wir sind vermutlich bei den eher gemäßigten einzuordnen) – und trotzdem geht nur ein Verein der Liga so mit seinen aktiven Fans um: der FC Bayern”. Und gleichzeitig – bei aller Zustimmung zu dem was Herr Wollny da schreibt – wenn wir auch nur eine geringe Chance haben wollen “den Patienten” noch zu retten, dürfen wir in der Diskussion den Anteil der Fans an der aktuellen Situation nicht ausblenden. Mit diesen geht der Autor in dem lesenswerten Beitrag für meinen Geschmack ein wenig zu schonend um.

Bei “openPetition” wurde von Dominik P. eine Petition erstellt: Freiheit für die KURVE + mehr STEHPLÄTZE in der Allianz Arena. Wer sie noch nicht kennt möge sie sich anschauen und dann entscheiden, ob man diese unterstützen will. Ich finde bei dieser Initiative insbesondere beeindruckend, wie viele Interessierte man auch hier in kürzester Zeit für das Thema gewinnen konnte. Aktuell hat die Petition nach gerade mal zwei Tagen bereits über 13.000 Unterstützer. Persönlich muss ich zugeben, dass ich es etwas schade finde, dass die Aktion etwas “übers Knie gebrochen” wirkt. Insbesondere der ursprüngliche Text, der glücklicherweise nach kurzer Zeit deutlich überarbeitet wurde, war sicher aus großer Emotion heraus entstanden, aber dadurch leider als Instrument das eigentliche Anliegen konstruktiv zu unterstützen, eher ungeeignet (die Änderungshistorie der Petition findet man hier). Und auch jetzt kann ich mir unter der (zwar populären doch wenig spezifischen) Forderung “Freiheit für die Kurve” nur wenig Konkretes vorstellen. Das macht das Ergebnis vermutlich leicht “angreifbar” – zudem es eben (wie es die Natur einer Petition nun mal ist) als einseitige Forderung von den Fans an den Verein formuliert ist und ich nicht glaube, dass dies besonders zielführend sein kann.

Sehr bemerkenswert fand ich eine Zusammenstellung der Aussagen der Vorsitzenden der drei größten Fanclubs des FC Bayern in der tz: “Schlechte Stimmung in der Arena: Man muss sich fragen ob der Verein das so will.” Hier sind zur Stimmungsthematik die jeweiligen Antworten auf die Frage 3 von Relevanz. Ich gehe jetzt mal nicht auf die Antwort von Herrn Stadler ein, denn wenn selbst Kalle und Herr Prof. Salewski öffentlich die mangelnde Stimmung kommentieren, kann ich jemanden der sagt “Konfetti! Die Stimmung war gut!” nur bedingt ernst nehmen. Bemerkenswert finde ich aber die Aussagen von Manfred Straßer und Hansi Gehrlein – insbesondere wenn man weiß, dass der aktive Stimmungskern der Südkurve und die großen Fanclubs, die von den Beiden repräsentiert werden, nicht unbedingt immer “ein Herz und eine Seele” sind (Stichwort: Spaltung der Fanszene). Und doch scheint man sich bei diesem Thema im Kern einig zu sein: dass das was wir am Freitag erleben mussten zumindest “sehr bedenklich” ist. Und ein einheitliches Problembewusstsein ist zumindest ein erster Schritt um die Bereitschaft zu erzeugen, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.

In dem Zusammenhang (“gemeinsam an Lösungen arbeiten”) möchte ich auch einen offenen Brief der Schickeria an die Fanclubs hier anführen, der zwar schon ein paar Tage alt ist, aber gerade in der aktuellen Situation doch einen weiteren kleinen Hoffnungsfunken darstellt. Ich bin persönlich wirklich zu weit weg von den Ultras um die Hintergründe zu kennen, die die Schickeria veranlasst haben, sich in dieser Art und Weise jetzt zu öffnen und auf die anderen Fanclubs zuzugehen. Für mich als Außenstehender ist das in Sachen “Transparenz” nahezu eine neue Dimension, die hier von Seiten der Ultras eröffnet wird. Ich hoffe inständig, dass dies den Weg für echten Dialog – zumindest schon mal innerhalb der Fanszene – ebnet und dieser auch begangen wird.

Eins wird für mich immer deutlicher: es gibt eine Menge Leute, die das Thema bewegt. Wenn es irgendeine Chance geben kann, dass man nun auch in dem Thema etwas bewegt, dann nur, wenn man diesen Hebel nutzt. Bleibt es bei der Wahrnehmung, dass es darum ginge, dass “ein paar Leute nicht singen, die man dazu ja nicht zwingen kann” bleibt die Nulllinie auf dem Monitor. Aber raufen wir uns zusammen und arbeiten an der Reanimation – und – und das ist die größte Unbekannte – ist der Betreiber des Krankenhauses in dem der Patient liegt auch nur irgendwie gewillt mit uns über die Möglichkeiten einer Reanimation nachzudenken, dann…ja dann…

Oder aber man will als erstes Krankenhaus in Deutschland ein künstliches Herz in den Organismus einsetzen. Ein Herz aus Pappe, das rhythmisch im Takt der Blaskapelle schlägt. Ich mache mir nichts vor: die Technik wäre vorhanden und der Organismus würde weiterleben. Berechenbar, ja sogar steuerbar. Hier mal ein paar Schläge schneller, dort setzt man mal einen Schlag aus – gerade so, wie es die Choreographie des Erlebnisses erfordert. Vielleicht wäre das sogar der “bessere” Organismus – so ganz ohne Risiko einer spontanen “Arteriosklerose”… man könnte vielleicht fetter und fetter werden und das Pappherz würde fröhlich weiter schlagen. Keine Utopie – ein sehr reelles Szenario. Ich frag mich nur, ob man sich in so einen Organismus noch verlieben könnte… verdammt nochmal: Ich will dafür kämpfen, dass dieses blöde alte Herz, das nie so wirklich perfekt war und auch immer wieder Scherereien macht, wieder anfängt zu schlagen – denn ich hänge an dem und nennt mit pathetisch, aber an dem hängt auch unsere Seele!